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Geschichte der KASSANDRA

Rückblick und gegenwärtige Anforderungen

Der Ausgangspunkt, die Geschichte und das Selbstverständnis der Frauen- und Mädchenprojektebewegung ist eng mit der zweiten Frauenbewegung verknüpft, von dieser inspiriert.

Eigene Projekte zu schaffen, ging mit dem Wunsch und der Suche nach neuen Organisations- und Arbeitsformen, nach Möglichkeiten zur Subjektentwicklung sowie persönlicher und politischer Sensibilisierung, einher.

Der Anspruch, Projekte als Vorwegnahme eines utopischen Entwurf von Gesellschaft zu begreifen, hat nicht zum Rückzug aus dieser geführt, sondern vielmehr zur Einmischung in Politik und Gesellschaft.

Das "Persönliche ist politisch" sollte die gelungene Verbindung von Arbeit und Leben ausdrücken, denn "eine Trennung zwischen Privatleben und gesellschaftlichen Leben wirft Frauen immer zurück in den individuell auszutragenden Konflikt ihrer Isolation" (Sander 1992).

Es galt/gilt, die individuellen Erfahrungen von Gewalt, Missbrauch, Diskriminierungen im Bereich der Bildung, des Arbeitsmarktes, beim Einkommen, der sozialen Sicherungssysteme u.a. als gesellschaftliche Problematiken zu benen-nen, die "öffentliche/politische Lösungen" verlangen. (Der Widerspenstigen Lähmung, Hg. Renate Rieger, 1993 + A )

Kurzer historischer Abriss

1988 wird Kassandra als 1. arbeitsmarktpolitische Mädchen- und Frauenberatungsstelle in NÖ mit Standort Mödling (Kursalon) initiiert.

1989 wurde im Rahmen der Aktion "Töchter können mehr" des damaligen Staatssekretariats für Frauenfragen – das Kassandra-Projekt "Technik und Werken für Mädchen" zur Berufsorientierung von Mädchen vor der Berufswahl im nicht-traditionellen Bereich ins Leben gerufen.

1990 größere Räumlichkeiten. Neben den Büroräumen gab es unter anderem auch 2 Werkstätten, ein Fotolabor und einen Duschraum für Mädchenkurse.

Im selben Jahr begannen Deutschkurse für Migrantinnen, die in den folgenden Jahren immer regeren Zuspruch fanden.

1991 erste Verhandlungen mit dem neugeschaffenen BM für Frauenangelegenheiten bezüglich des Aufbaus einer "Frauenservicestelle" – ein weiteres österreichweites Pilotprojekt sollte im Verein Kassandra entstehen.

Nachdem so tolle neue Räumlichkeiten zur Verfügung standen, entschlossen wir uns, neben der Gruppenarbeit nun auch Raum für kulturelle Veranstaltungen zu bieten.

1992 began der Aufbau der Frauenservicestelle, das einzige Projekt, dass nach den tiefgreifenden Einsparungsmaßnahmen 1995 & 1997 übrig blieb.

1992 war ein Jahr der Aktionen und Aktivitäten, ab Herbst kam ein neues Konzept zum Einsatz – regelmäßige Werkstattprogamme und EDV-Einschulungen für Frauen.

Nach 5 Jahren erfolgreichem Arbeiten und Expansion begannen 1993 die ersten Schwierigkeiten mit dem Hauptsubventionsgeber. Erstmals wurde der AMS-Sparstift angesetzt - eine Beraterin nicht mehr nachbesetzt.

1994 gelang es uns nach langwierigen Verhandlungen, den Posten wieder nachzubesetzen. Mitte des Jahres wurde das AMS aus der unmittelbaren Bundesverwaltung ausgegliedert, die regionalen Ebenen bekamen mehr Mitspracherecht. Präventionsarbeit wird nicht mehr als Auftrag des AMS angesehen.

Das hatte zur Folge, dass 1995 das Projekt Technik u. Werken für Mädchen mit Zielgruppe Mädchen vor der Berufswahl keine AMS-Förder-ung mehr bekam und aufgelöst werden musste. Auch in der arbeits-marktpolitischen Beratungsstelle Kassandra wurden Beratungsstunden gekürzt.

Im November 1995 feierten wir 7 Jahre Frauenberatungsstelle Kassandra – eine Feier mit Misstönen. Das AMS signalisierte uns das Aus für die Beratungsstelle. Durch massive Medienarbeit und durch die Unterstützung von Hunderten von Einzelpersonen, Institutionen, Einrichtungen schafften wir es, dieses Ende nochmals zu verzögern. Die politische Willensbekundung seitens des AMS NÖ dauerte aber leider nur ein Jahr.

Im Dezember fand ein Gespräch mit männlichen Vertretern des Vorstandes des AMS Österreich, der Landesgeschäftsführung des AMS NÖ sowie der regionalen Geschäftsführung von Mödling statt. In diesem Ge-spräch wurde uns deutlich die Vorgangsweise der Mächtigen präsentiert: Schuldzuweisungen an uns und Abwertung für unsere geleistete Arbeit, keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Konfliktlösung seitens unseres Verhandlungspartners.

Die Entscheidung: ab 1997 wird kein Zukauf von arbeitsmarkpolitisch relevanten Angeboten des Vereins Kassandra mehr stattfinden.

Im selben Jahr entschied sich die Frauenberatungsstelle Courage in St. Pölten dafür, unter den gegebenen Rahmenbedingungen mit dem AMS nicht mehr weiterzuarbeiten. Die neuen Rahmenbedingungen heißen: Wegfall der Anonymität und der Freiwilligkeit.

Im April 1997 feierten wir mit 100 und mehr Frauen "Finale & Ouvertüre" – das Fest der Überraschungen. Im Juni verloren vier der fünf im Verein beschäftigten Mitarbeiterinnen ihren Arbeitsplatz.

Auch in Baden wurde die einzige noch verbliebene Einrichtung für Mädchen in NÖ – der Berufsvorbereitungskurs MIRA, mit Schwerpunkt Handwerk-Technik – (vom AMS) geschlossen.

1998 begann sich ein neuer Arbeitsschwerpunkt herauszukristallisieren, der sich in den folgenden Jahren immer mehr verstärkte – das Thema Gewalt gegen Frauen. In Zusammenarbeit mit Fraueneinrichtungen, Institutionen und politischen Einrichtungen werden Veranstaltungen initiiert, das Projekt zur Schulung von Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens entwickelt und koordiniert.

1998 und 1999 waren auch die Jahre der Einsparungen, der vorwiegend unbezahlten Arbeitsstunden, der Suche nach geeigneten Kooperationspartnerinnen.
Es gab zwar nicht mehr Geld – unser damaliges Jahresbudget zur Aufrechterhaltung des Betriebes betrug circa 750000 ATS. Aber es gab erweiterte Angebote wie etwa muttersprachliche Beratung, kurzfristige Projekte – wie etwa die Organisation der Strategie-Tagung "Schlaflose Nächte – wir fordern Basisfinanzierung" und der Beginn einer fruchtbaren Bürogemeinschaft mit den Kolleginnen und Kollegen der Umwelt-beratungsstelle.

2000 veränderte sich die politische Landschaft und Kassandra war wieder einmal mehr ins Blickfeld gerückt. Mitte des Jahres wurde uns vom zuständigen Ministerium mitgeteilt, dass wir ohne Cofinanzierung nicht der Intention einer Frauenservicestelle entsprechen und die Subvention um 50 Prozent gekürzt werden wird.

Nach einem halben Jahr Beobachtungszeitraum für eine Familienberatungsstelle konnten wir erstmals wieder expandieren – die Familienberatungsstelle wird anerkannt, das Gelder für die Frauenservicestelle voll ausbezahlt, wir können unsere Beratungsangebote damit wieder ausbauen.

2001 im Juni wurden wir neuerlich seitens des zuständigen Frauenministers Haupt mit einer nicht vorangekündigten Kürzung konfrontiert, die das Ende von Kassandra bedeuten würde. Intensive Öffentlichkeits-arbeit, ein persönliches Gespräch mit dem Minister und die Vorbereitung einer Klage – damit erreichten wir die Auszahlung der gesamten Förder-summe.

Nach einem ruhigen Jahr 2002 konnten wir unser Angebot nochmals erweitern – das Projekt NOEL HTL4girls (Die Gendergerechte Schule - was hat sie, wovon andere träumen?) knüpft an das Thema Mädchen und nicht traditionelle Berufswahl an.

HTL4girls war ein Teilprojekt des EU-Projekts "NOEL. New Opportunities for Equality in Lower Austria", welches 2003 bis 2005 in Niederösterreich in einer Partnerschaft von 23 Organisationen durchgeführt wurde. Das Ziel von NOEL war es, Chancengleichheit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt in Niederösterreich zu fördern, besonders hinsichtlich neuer Berufsbilder und technischer Ausbildungen.

Im Teilprojekt HTL4girls wurde durch Kassandra und Mountain Unlimited das Modell einer "gendergerechten technischen Schule" entwickelt und an der HTL St. Pölten getestet. Aus den Erfahrungen wurden Empfehlungen und Standards für eine gendersensible Ausrichtung einer HTL vorgeschlagen und teilweise an der HTL St. Pölten bereits umgesetzt.

Finanzierung des Projekts: ESF, BMWA; Projektverantwortung: Frauenreferat der Niederösterreichischen Landesregierung, Maria Rigler

Auch in den Jahren 2005/2006 beteiligte sich die KASSANDRA an einem weiteren EU-Projekt: mut! – mädchen und technik

Dieses Projekt wollte einen Beitrag zur Erhöhung des Anteils von Mädchen und Frauen in technischen und handwerklichen Ausbildungsrichtungen und Berufen in Österreich leisten.

Die Aufgabe von Kassandra im Projekt mut!2 (2005-2006) war die Erweiterung und Erprobung von Modulen für geschlechtergerechte Didaktik an Pädagogischen Akademien.

Ziel war und ist die Steigerung des Genderbewusstseins an den Pädagogischen Akademien und damit an den (Pflicht-)Schulen sowie die Sensibilisierung von Studentinnen/Studenten als zukünftige Multiplikatorinnen/Multiplikatoren.

Im Zentrum der Aktivitäten standen geschlechtsspezifische Sozialisation und deren Auswirkungen auf Ausbildungs- und Berufswahl, Lebensplanung, Freizeitgestaltung und das Denken und Handeln von Mädchen und Burschen. Die Unterrichtsmodule wurden von KASSANDRA gemeinsam mit mut!-Projektpartnerinnen in ein Curriculum integriert und im Rahmen der Neuausrichtung der ehemaligen Pädagogischen Akademien als pädagogische Hochschulen den Studienkommissionen zu Verfügung gestellt.

Finanzierung des Projekts: ESF, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (bm:bwk), Frauen in Forschung und Technologie (fFORTE), Landesregierungen Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien, Kärnten, Steiermark

2006 beteiligte sich die KASSANDRA als Partnerorganisation an dem EU-Projekt KLARA!-Online-Ressourcenguide.
Dieser bringt überblicksweise und beispielhaft (Stand 2006) Möglichkeiten zur Förderung und Finanzierung von Projekten von und für Frauen sowie von Initiativen zur Gendergleichstellung. Weiters bietet er Informationen zu Stiftungen und Sponsoring sowie zum Thema berufliche Frauennetzwerke.

Die Equal Entwicklungspartnerschaft KLARA! Netzwerk für Equal Pay und Gendergleichstellung am Arbeitsmarkt verfolgte in den Jahren 2004-2007 das Ziel, ein österreichweites Netzwerk zur Verwirklichung von Einkommensgerechtigkeit zwischen Frauen und Männern aufzubauen. Im Rahmen dieser Zielsetzung sollte der Ressourcenguide Anregungen zur materiellen und ideellen Förderung von Initiativen und Projekten bieten, die sich dem Abbau von geschlechtsspezifischer Diskriminierung widmen.

Finanzierung des Projekts: Europäischer Sozialfonds (ESF), Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA), im Rahmen von Equal; Projektkoordination: Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen

Seit 2009/2010 haben wir die Möglichkeit der Psychotherapie auf Krankenschein (Kooperationsprojekt mit Frauen für Frauen) und die einer sozialen Kostenstaffelung geschaffen. Dies deswegen, da sich ein Großteil der Frauen die die Psychotherapie benötigen, mit den gesundheitlichen Folgen der erlebten Gewalt auseinandersetzen müssen.

Im März 2013 sind wir mit der Frauen- und Familienberatungsstelle Kassandra umgezogen, da die Barrierefreiheit eine Voraussetzung für die Weiterfinanzierung darstellt.

Im November wurden das 25-jährige Bestehen der KASSANDRA mit vielen Akteurinnen und Akteuren aus Politik und den NGOs sowie UnterstützerInnen und Unterstützern gefeiert.

2016 ging die langjährige Mitarbeiterin Anneliese Erdemgil-Brandstätter in ihre wohlverdiente Pension. Aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen entschied sich der Vorstand, ein Geschäftsleitungsmodell in der KASSANDRA einzuführen.

Kassandra
Frauen- und Familienberatungsstelle

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